Von Menschen und Mäusen.

Von Menschen und Mäusen.

»Wir erzählen meist eine Reise, auf der wir etwas herausfinden wollen und an deren Anfang wir auch noch nichts wissen.«
(Armin Maiwald, Interview mit dwdl, 5.3.21)

Ich frage mich, ob die Macher der Sendung mit der Maus je das Wort kindgerecht benutzt haben. Ich bin sicher, es gibt keine Bildungsstandards oder Lernziele. Es gibt vorgelebte Neugier, der man nur folgen muss. Es gibt durchaus ein gewisses Gefälle an Wissen – »macht nichts, erklär ich euch«. Und so, wie Slapstick ohne Disziplin und Präzision nicht funktioniert, verdanken sich die Erklärfilme einem Aufwand, den man den Filmen auch nur mit Aufwand ansieht. Weiterlesen

Das Wochenende, nachdem Frau Mittenzwey das Internet wahrscheinlich nicht kaputt gemacht hat.

Das Wochenende, nachdem Frau Mittenzwey das Internet wahrscheinlich nicht kaputt gemacht hat.

»Denn plötzlich haben alle Zeit. Doch dann wird es richtig gemütlich, obwohl das Internet nicht funktioniert – oder vielleicht auch gerade deshalb.«
(Waschzettel zu Marc-Uwe Kling; Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat)

Kleine Geister würden sagen: Da sieht man mal wieder, wie abhängig wir doch von dieser Technik sind!
Ich sage es auch, denke aber darüber nach. Die beste Gefährtin von allen läuft etwas somnabul zum Rechner, um inhaltsleeren Blicks in den Bildschirm zu sehen. Das geht auch ohne Internet. Die Buben dürfen sowieso nicht an den Computer, bevor sie ihn brauchen, um ihre Promotionsurkunden einzuscannen. Der Herr Neuleerer hat fünf oder sieben Gerätchen, mit denen man papierlose Bücher lesen kann, trotzdem sind es meistens bedruckte Seiten, die ihm in der Wanne ins Wasser gleiten, wenn er zu tief über den Inhalt nachdenkt. Weiterlesen

Heule und herrsche!

Heule und herrsche!

»Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.«

(J.W. Goethe, Faust I)

Mein Auto- und Küchensender startet eine Social-Video(?)-Reihe

Man kann video mit ich sehe übersetzen, aber auch mit ich verstehe, ich begreife und mein Verständnis hält sich in Grenzen. Nach der Kinderei des WDR (alte weiße Männer inklusive Janine Kunze diskutieren über Zigeunersauce, Betroffene waren nicht geladen) setzt mein Radio, welches ausgerechnet den Slogan »nur für Erwachsene« in den Äther bläst, den Nichtdiskurs fort, wenn auch mit anderen Mitteln. Genauer gesagt, mit anderen Akteuren – nicht alt, nicht weiß, die Hälfte nicht männlich. Der Unterschied ist geringer als man denkt. Weiterlesen

Der König hat immer noch nichts an

»Der auf das Treiben von Wissenschaft bezogene Topos der unkritischen Kritik findet eine auf das Treiben von Bildung bezogene Entsprechung im Topos der Halbbildung: Allseits unauthentisches Begrasen des Gegenstandes dient der Bedienung kultureller Produktionsinstanzen«
(Wolfram Meyerhöfer, Mathematikaufgaben zwischen Bildung und Standards, 2015)

Nach meinem Grimm über die Bildungsforschung hat Gott sei Dank Karl Marx die Ehre der Bildungsforscher halbwegs gerettet.
Allerdings stimmt das nur zum Teil. Es war ja nicht Karl Marx, der da aus meinem Radio gesprochen hat. Man müsste noch mal zurückspulen, dachte ich noch. Man staunt, was heutzutage alles geht. Weiterlesen

Keine Chance nach der Krise

Keine Chance nach der Krise

»So traurig das ist, aber im Prinzip müssten all diese Kinder nach der Pandemie noch mal ganz
von vorne anfangen.«

Bernd Siggelkow, SZ-Interview vom 18. Januar 2021

Aus aktuellem Anlass habe ich zwei Aufsätze, die vor langer Zeit schon aktuell waren, frisch eingestellt. Sie liegen wohlverwahrt unter Alte Sachen/Schüler in Uniform.

Und wieder schreibt jemand von Humankapital. Das schlägt doch dem Fass die Corona ins Gesicht. Weiterlesen

Humankapital

Aus: Schüler in Uniform und andere Nestbeschmutzungen, 2008, weitgehend unveröffentlicht

Wächst auf demselben, mit VWL-Mist gedüngten Acker wie der Rohstoff Bildung.

Man kann einen Unternehmer zynisch nennen oder seine Profitsucht geißeln oder überhaupt gegen den Kapitalismus sein. Er wird immer so rechnen und er muss immer so rechnen: Wie viel Kapital schieße ich vor, wieviel bekomme ich dafür? In die Kosten fließen die Löhne ein, also ist der Arbeiter, genauer gesagt, sein Lohn, ein Kostenfaktor. In der Bilanz, die der Unternehmer dem Finanzamt vorlegt, steht nichts von Humankapital, aber wenn er strategisch denkt, wird er wissen: Die Ausbildung und Erfahrung sind schon etwas wert. Weiterlesen

Rohstoff Bildung

Aus: Schüler in Uniform und andere Nestbeschmutzungen, 2008, weitgehend unveröffentlicht

Eine Tagung zur Bildung, also eine Bildungstagung, zur Bildung in Kindergärten, eine »Bildungstagung Kita« …
Schämt man sich in Deutschland Friedrich Fröbels, seiner großartigen Erfindung, seiner großartigen Wortschöpfung? Kindergarten heißt auf englisch kindergarten, auf deutsch – Kita. Weiterlesen

Vorsätze

Vorsätze

»Die kursiv gesetzten Vorsätze YottaZettaZepto und Yocto gehören nicht zum internationalen Standard.«
(verschiedene Quellen, z.B. quantenwelt.de)

Die kriegen alles raus. Ein Elektron braucht, weiß man nun, 247 Zeptosekunden, um ein Wasserstoffmolekül zu durchqueren. Wer nichts mit der Angabe 247 Zeptosekunden anfangen kann:
247 Zeptosekunden gleich 0,247 Attosekunden. Attosekunden sollten doch geläufig sein.

Wozu braucht man das? Weiterlesen

Wieso Neuleerer?

Wieso Neuleerer?

Nach dem Krieg waren die Lehrer knapp, die eine Hälfte war tot, die andere Hälfte vorbelastet. Man wollte keine Nazis vor der Klasse zu stehen haben.
In den westlichen Besatzungszonen wurden junge Akademiker in Schnellkursen geschult, in der SBZ durften es auch Arbeiter sein. Hauptsache unbelastet. Wenn die Gesinnung stimmt, hieß ein Bonmot, darf der Neulehrer auch (zunächst) Blume mit h schreiben, also Bluhme. Ich kannte einige; insbesondere denke ich an Dieter Winkelmann, der als Neulehrer nicht nur so notdürftig zurechtkam, sondern als Mathematiklehrer und Förderer der jungen Mathematiker glühte. Ich war in seinem Klub junger Mathematiker.
Da ich auch mal Leerer war, nämlich Waggonleerer am Ostgüterbahnhof der Deutschen Reichsbahn, erlaube ich mir die orthographische Eigenwilligkeit.

Wissen müssen

Neugier kann ähnlich dringend sein wie Hunger, Durst oder das Gegenteil davon. Ich will wissen und dann weitersagen. Ich will nicht agitiert oder missioniert werden; wer meine Hautfarbe, mein Geschlecht, mein Alter als Ersatz für Argumente hernimmt, schließt nicht mich aus der Diskussion aus, sondern sich selbst.
Es gibt partikulare Interessen, echte und behauptete. Ich suche nach dem übergeordneten Interesse und nach dem übergeordneten Gegeninteresse.

»Das alles ist doch nur zur Unterhaltung gedacht.«
(N. Leisegang, Kintopp)

Nicht nur. Aber auch. Es darf gelacht werden.