Philologie des Elends II

Philologie des Elends II

Ein Linksgutachten
Teil II

Wir waren beim pseudo-generischen Maskulinum.

Also ich nicht, aber Frau Dr. Ulrike Lembke, um deren Gutachten für die Stadt Hannover es hier geht. Teil I hier.

Festhalten!

»Hoheitliches Sprachhandeln bildet nicht nur Wirklichkeit ab oder transportiert Regelungsanliegen, sondern formt hoheitliches Handeln und gestaltet gesellschaftliche Wirklichkeiten mit. Die Verwendung rein männlicher Formen spiegelt das hierarchische Geschlechterverhältnis und erhält es zugleich aufrecht, indem Frauen und Personen mit Geschlechtsidentitäten jenseits der Binarität unsichtbar gemacht, nicht anerkannt und nicht adressiert werden.«

Grundgütiger! Was für ein aufgeblasener Nonsens!

Sprachhandeln! Das ist ja noch schlimmer als Problematik, Zielsetzung, Verantwortlichkeiten und Gesetzlichkeiten zusammen. Hier wird ja nicht einmal verschleiert, dass man eigentlich nichts zu sagen hat. Hoheitliches Sprachhandeln formt hoheitliches Handeln, ja, so wird’s wohl sein.
Lassen wir den Satz in aller Ruhe verrotten!

Der zweite Satz wird vor dem Kompostieren noch einmal in Ruhe, mit der Pinzette des Hobbylinguisten und -logikers zerpflückt. Ein Hackebeil wäre mir lieber!

»Die Verwendung rein männlicher Formen … «
Nicht nur männlich, sondern rein männlich? So wie der Macho? Der Pascha? Leithammel, Silberrücken?
Das Alphatier? Nee, das kann auch ein Weibchen sein.

Eine Frau sagte neulich in meiner Gegenwart: »Ich bin der Schulleiter
Ein selbstbewusster Mensch, der sich seiner Bedeutung bewusst ist.
Zwei mal männlich, es spricht aber eine Frau. So was aber auch!

Na, so sprechen doch nur alte Ossis!
Ich glaube nicht. Außerdem: Hatten wir die Diskriminierung nicht gerade verboten? Ach so, da ging es ja um das Geschlecht. Also Diskriminierung nach Alter, Herkunft etc. ist dann erst mal egal?

Und es stimmt einfach nicht:
Ich als Jurist …
Wir sind Impfgegner …
Was sagen deine Lehrer dazu?

So sprechen Frauen (auch) über Frauen. In Ost und West, oben und unten.

Jetzt lassen wir uns das mal mit den Hierarchien erklären, und zwar so, dass es auch ein Elfjähriger versteht:

«Auch heute lassen sich noch Hierarchien im Geschlechterverhältnis beobachten. Machtvolle Positionen in Politik sind meist mit Eigenschaften verknüpft, die vor allem Männern zugeschrieben werden [im Film sieht man Blasen: durchsetzungsfähig, risikofreudig, stark].
Im Jahr 2016 erhielten Männer durchschnittlich 21 % mehr Bruttolohn als Frauen [Blase: GenderPayGap]. Außerdem sind Berufe, die über Jahrhunderte vor allem von Frauen ausgeübt wurden, immer noch schlechter angesehen und schlechter bezahlt als traditionelle Männerberufe.
Fassen wir also zusammen … «

(animierter Film der Gender-Mediathek der Heinrich-Böll-Stiftung)

Fassen wir also zusammen.
Ach, das war es schon? Ja, das war es schon.
Wieder diese falsche Logik des Zirkelschlusses! Nicht »außerdem«, sondern weil!
Welche Berufe wurden eigentlich »über Jahrhunderte vor allem von Frauen ausgeübt«?

Frau Baerbock, Frau von der Leyen, Madame Lagarde und viele weitere arbeiten in Positionen, in denen sie durchsetzungsfähig, risikofreudig und stark sein müssen. Sie üben erhebliche Macht aus. Und das, liebe Kinder, war früher den Männern vorbehalten. So, und was ist nun das Problem? Dass Menschen (über andere Menschen) Macht ausüben? Oder dass Männer Macht ausüben?

Wenn also die Geschlechterhierarchie, wenn nicht ausschließlich, so doch vornehmlich mit den Unterschieden bezahlter Arbeit erklärt wird, wären wir doch fertig. Oder will man im Ernst warten, bis auch der letzte Generalstab und der letzte DAX-Vorstand eine ordentliche Frauenquote vorweisen können?

Wenn es nicht aus anderem Grunde falsch wäre, könnte man also schreiben:
Die Verwendung rein männlicher Formen spiegelt das hierarchische Geschlechterverhältnis, so wie es früher bestand, wieder. Dann kann es also nicht zugleich aufrecht erhalten werden. Das ist unlogisch. Das wird auch nicht besser, indem man nun ein »indem« anhängt. Schauen wir mal ins Gesetzbuch:

«Absatz 1 gilt nicht, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen
1. auf die Tatsache hinweisen … «

(aus Paragraph 219a StGB, den Frau Lembke abschaffen will, und das ist natürlich löblich!)

Was für eine Konfusion! Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen stecken offenbar in einer Kategorie, sie gelten hier als institutionell. Andererseits können Einrichtungen nicht hinweisen. Hier geht wohl die Autorität von einem Briefbogen samt Stempel aus, hinter dem durchaus Menschen mitsamt ihrem Geschlecht »unsichtbar gemacht« werden, weil es um die quasi-behördliche Befugnis geht, da ist das Geschlecht des Stemplers egal.
An wen das Gesetz sich richtet, ist wiederum sehr klar:
»Wer … anbietet, ankündigt, anpreist, … wird … bestraft.«

Es ist das allgemeine Verkehrsverständnis, welches hier vorausgesetzt wird und das ist ein schöner Juristenjargon, dessen Klarheit sich aber aus dem allgemeinen Verkehrsverständnis ergibt.
Ja, manchmal muss man zwei Stufen auf einmal nehmen.

Die Ärztin Kristina Hänel konnte und wollte sich nicht verstecken. Der Gesetzgeber (nein, das sind nicht alles Männer! Denn wir reden hier wieder von Institutionen – Bundestag, Bundesrat) hat präzise adressiert, sonst hätte sie schon deswegen nicht verurteilt werden können.

Noch mal von vorn, ich frag das nachher ab:

» … unsichtbar gemacht, nicht anerkannt und nicht adressiert … «

Wenn Frauen unsichtbar gemacht werden, waren sie vorher sichtbar. Frau Pusch meint ja:
»Das generische Maskulinum macht Frauen besser unsichtbar als jede Burka.«
Was für ein hübscher, pointierter Satz, der wohl deshalb so oft zitiert wird!
Trotzdem Quatsch.

Schreiben die wirklich immer wieder alle aus der selben Bibel ab? Hat keiner Angst, dass, wenn geistige Tiefe nur vorgetäuscht wird, mal ein Kind kommt und sagt:
Bedecke deine geistige Blöße, es ist ja peinlich!

Apropos Blöße: Aus religiösen Gründen soll sie verdeckt werden; je religiöser, desto mehr. Die jungen Kämpfer, die von Jungfrauen träumen, oft aber selber welche sind, sollen nicht so hibbelig werden. Aber wenn sie eine Burka sehen, wissen sie: Das Gute daran ist das Gute darin. Das Verstecken der Weiblichkeit exponiert das Weib.

Der Begriff des generischen Maskulinums ergibt nur Sinn, wenn alle in Frage kommenden Personen – nein, nicht versteckt, sondern inkludiert sind, wie die Püppchen in einer Matrjoschka. Man weiß ja, dass sie drin stecken. Wer möchte, kann auch jede Transflexfluidperson hineinphantasieren. Das spart auch die Mühe, ihre Existenz nachzuweisen.

»›Und Pferde?‹ fragten ängstlich die Bauern. ›Auch Pferde, Väterchen?‹«

Nein, Pferde nicht.

Die Ignoranz des Anatol Stefanowitsch, die hier übernommen wird, ist kindisch.
»›Weil‹, so schließt er messerscharf, ›nicht sein kann, was nicht sein darf.‹«
(Chr. Morgenstern)

» … unsichtbar gemacht, nicht anerkannt und nicht adressiert … «

Das ist überhaupt kein Whatabout:
Es gibt so viele Beschädigungen, Beschämungen, Repressionen, vermeidbare Unfälle und potenziell heilbare Krankheiten, und ausgerechnet einem Milliprozent der Gesellschaft gehört unsere Fürsorge, die als solche auch noch schwer zu erkennen ist?
Ein Stern als Anerkennung?
Ich kenne den Stern der Völkerfreundschaft, das war ein Orden. Ja, und dann gab es ja noch den anderen Stern …

» … unsichtbar gemacht, nicht anerkannt und nicht adressiert … «

In Gesetzestexten, behördlichen Bekanntmachungen und ähnlichen öffentlichen Texten heißt die Adresse immer:

AN ALLE! +++ AN ALLE! +++ AN ALLE! +++ AN ALLE! +++ AN ALLE!

Bei allem Respekt, Frau Doktor: Für wie doof halten Sie denn das Volk, den großen Lümmel (Heinrich Heine)?
Selbst die Stadt Hannover (der Auftraggeber), die Wortneuschöpfungen wie Gasthörende benötigt, informiert in ihrem Webauftritt als Bürgerservice über Bauernmärkte mit Produkten direkt vom Erzeuger.
Warum werden Nichtmänner angestiftet, sich nicht angesprochen zu fühlen?

Das Strafgesetzbuch kennt keine Täterin. Wozu auch? Das Wort Frau taucht sieben Mal auf; sechs mal im Zusammenhang mit Schwangerschaft. Beim siebten Mal ist es kein Fall von plötzlicher Genderitis – hier, § 183 StGB Exhibitionistische Handlungen, ist es sinnvoll.

Ach so, wegen des großen Erfolgs wird der Auftritt wiederholt:
»Die Verwendung rein männlicher Formen … «

Eine andere Deutung (da seht ihr mal, wie kompliziert das mit der Sprache sein kann), vermutlich die Intention von Lembke, wäre: Da steht ja nur Bauern, Mehrzahl von Bauer, der; der Wähler oder eben der Gasthörer. Potzblitz! Und was heißt das?

»Gasthörer (auch Hörer oder Hospitant genannt) ist die Bezeichnung für eine Person, die in Eigeninitiative und ohne Pflichten Lehrstunden oder Vorlesungen in Schulen oder Hochschulen besucht.«
(Wikipedia)

Es könnte so einfach sein. Der Dingens (grammatisch männlich) ist eine Person (grammatisch weiblich), …
Das ist kein Geschlechterkampf, liebe Freunde der deutschen Kleinkunst. Das ist Grammatik.

Fortsetzung folgt.


2 Gedanken zu “Philologie des Elends II

  1. Pingback: Philologie des Elends I | Neuleerers Blog

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