Das Wochenende, nachdem Frau Mittenzwey das Internet wahrscheinlich nicht kaputt gemacht hat.

Das Wochenende, nachdem Frau Mittenzwey das Internet wahrscheinlich nicht kaputt gemacht hat.

»Denn plötzlich haben alle Zeit. Doch dann wird es richtig gemütlich, obwohl das Internet nicht funktioniert – oder vielleicht auch gerade deshalb.«
(Waschzettel zu Marc-Uwe Kling; Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat)

Kleine Geister würden sagen: Da sieht man mal wieder, wie abhängig wir doch von dieser Technik sind!
Ich sage es auch, denke aber darüber nach. Die beste Gefährtin von allen läuft etwas somnabul zum Rechner, um inhaltsleeren Blicks in den Bildschirm zu sehen. Das geht auch ohne Internet. Die Buben dürfen sowieso nicht an den Computer, bevor sie ihn brauchen, um ihre Promotionsurkunden einzuscannen. Der Herr Neuleerer hat fünf oder sieben Gerätchen, mit denen man papierlose Bücher lesen kann, trotzdem sind es meistens bedruckte Seiten, die ihm in der Wanne ins Wasser gleiten, wenn er zu tief über den Inhalt nachdenkt.

***

Frau Mittenzwey ist die etwas verhuschte Gattin ihres Gatten, den wir General nennen. Sie darf frei herumlaufen, aber nur ein Stückchen vor das Haus oder ein Stückchen hinter das Haus.
Wer jetzt denkt, der Dichter arbeitet sich aber an einem Klischee ab, irrt.
Es ist doch so: Für jedes Rollenfach gibt es Schauspieler, die gut passen oder sich irgendwann passend gespielt haben (etwa Carmen-Maja Antoni als komische Alte oder Manfred Krug als Manfred Krug). Aber vor die Rollen hat ja der liebe Gott das Leben gesetzt, das echte. Und das findet hier statt und zwar folgendermaßen:

Wir inspizieren mal ein bisschen unser Grundstück. Die Sonne lacht den März herbei und wir denken mal wieder, wir müssten mal wieder darüber nachdenken, was wir mal wieder tun müssten nach dem Denken.

Das Publikum naht. Wie wir so vor dem Haus stehen, steht Frau Mittenzwey auch vor ihrem Haus. Auf der anderen Seite steht Frau Goldfisch ebenfalls vor ihrem Haus; das fällt aber nicht weiter auf, denn sie steht immer da.

Dann gehen wir hinter das Haus. Frau Mittenzwey geht hinter das Haus.
Wir wollen unseren Besuch verabschieden und gehen wieder vor das Haus zur Straße. Frau Mittenzwey …
das muss ich nicht erzählen – sie steht da.

Jetzt hat sie ja nicht alles mitbekommen und ein furchtbarer Verdacht fällt auf Frau Mittenzwey. Nämlich, wie sich einige Tage später herausstellt, gab es einen Schaden am Telekomschaltdingenskasten; Frau Mittenzwey wird doch nicht?

Nein, gewiss nicht. Aber das Internet ist kaputt, und zwar das ganze. Kein Onlineshoppen, kein Onlineschooling, kein Onlinebanking, kein Telefon, kein Fernsehen. Mein Blog ist wieder der Block, das geht immer.

Das, was einen berührt, also so ganz wörtlich gemeint, geht auch immer und geht auch immer nur analog. Das Geschrei der Buben, ihr Geruch, ihr bandscheibensprengender Sport, wenn Papa Neuleerer Klettergerüst spielen muss – von dem, was die beste Gefährtin von allen analog tut, ganz zu schweigen, denn das gehört nicht ins Internet. Und dann kann es auch ein paar Tage kaputt sein. Das ganze Internet, von mir aus.

Frau Mittenzwey weiß das auch. Ihr Spionieren ist analog und das Tratschen mit Frau Goldfisch ebenso. Was habe ich für glückliche Nachbarinnen! Unabhängig von der Technik, immer schlechte Laune, mit oder ohne Strom.

***

Ich schreibe alles auf. Das geht ohne Strom. Aber zwei, drei Bekannte, zwei, drei Unbekannte wollen was lesen von mir, also bitte!

Das Internet geht wieder. Das ist gut. Aber es gibt Momente, da schert es mich nicht. Die Sonne scheint, ich schnappe mir den Krümel und scheuche ihn vors Haus. Mal sehen, was Frau Mittenzwey macht.

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