Die Grille

Die Grille

In Regenpausen zirpt eine Grille
im Hof, als wäre es Sommer
und doch ist es Herbst.
Die Herzen schlagen in leisem,
gleichmäßig langweiligem Takt.

Die vielen Tage, die wir uns nahmen,
uns schien, sie böten was Neues.
Und doch ist ein Tag
wie viele, die nun schon zerronnen.
Der letzte, andauernde Akt.

In Regenpausen zirpt eine Grille.
Sie weiß, sie sieht keinen Winter.
Wir hören ihr zu
und sehen dem Abschied entgegen,
beklommen, hilflos und nackt.

Earl of Paper

Wenn jeder Berliner einen Großpack mit 18 Rollen hat, ergibt das rund 740.000 Kilometer Toilettenpapier. Damit könne man 185 Mal die Welt umrunden.
(Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, zit. nach B.Z.)

Ich habe „My name is Earl“ nicht zu Ende gesehen, und jetzt weiß ich nicht, ob ich es satt hatte oder die Serie aus irgendeinem Grunde nicht fertig gedreht wurde.

Es macht mich traurig, dass ich das nicht so stehen lassen kann. Jetzt denkt doch jeder: Hast du kein Wikipedia zu Hause, du dummer alter Mann? Weiterlesen

Rudi kann nicht lesen

Et jibt Fraren, die jehörn vaboten. Wobei et sich inna Rejel ja nich um Fraren handelt, insofern man keene Antwort erwartet. Nehm wa ma een Beispiel: Ick hau ma nach meiner Tour een bissjen aufs Scheeselong, um zu warten, bis ick wach werde. Mittenmal hör ick aus’m Zimma von meim Sohn lauta Presslufthämma.
Nanu, denk ick, hatten wa Handwerker bestellt? Dann fährt ne Straßenbahn bei ihm durch und ick denke, ach so, er hat wieda seine Musik an. Außadem sind jetze Ferien, fällt mir noch ein, womit auch die Anwesenheit des Herrn Sohnes erklärt ist. Ick jeh also hin und frare janz freundlich: „Sach ma, hast du noch alle Latten am Zaun, du Bettnässer, ick will penn!“Sehnse, dis is sozusaren eine theoretische Frare, ick meine, ick will ja nur etwas Kritik üben und keene Antwort. Der Bengel äußert sich trotzdem: „Wat schreiste denn so, Alta?“

Beim Bäcka will ick jerade in aller Freundlichkeit dit käufliche Erwerben meiner Splittabrötchen einleiten, indem ick erst ma Juten Morjen sare, ab ick komm ja nich dazu.
„Könnse nich lesen?“, tönt dat Frollein hinta der Theke, und ick höre mehr een Ausrufe- als wie een Frajezeichen, denn kiek ick ihrm Blick hinterher, der streng aufe aufe Tür zeicht, wo mittendrin een Schild prangt. Ick hatte se extra offenjelassen, damit der nächste ooch rin kann.
Kam aba keener.
Also auffem Schild steht „Tür zu“. Na, een „Bitte“ hätte ja ooch noch Platz jehabt, denke ick und sare laut: „Im Prinzip schon, aber nich mittem Bauch.“
Und denn erzähle ick noch een bisschen von freundlichem Ton und so und frare meinerseits janz theoretisch, ob se eijentlich wüsste, dass et elf Bäcka im Kiez jibt. Und denn war der Einkauf erledicht.

Wie ick dit meim Bengel, azähle, belehrt der mich: „Dit heißt rhetorisch, Vadda. Eine rhetorische Frare is zum Beispiel, …“
„Du weeßt ooch imma allet, wa?“, untabreche ick ihn.
„Jenau“, sachta, und ick stehe een bisschen dumm da.
Schön, wenn man so schlaue Kinda hat. Wenn se nur nich son Krach machen würden.

Also untahalte ick ma später mit Boris, der belehrt ma wenigstens nich imma. Boris ist der Russe, der sone Art Spätvakauf inna Straße hat. Eijentlich issa Buljare, aber die Jelejenheitstrinker saren imma, wir treffen uns beim Russen, wenn sich ma wieder sone Jelejeheit ajibt, also imma ahms von sechse bis acht. Danach müssen nach Hause, ihre Frauen vamöbeln. Kleener Scherz, die kieken bloß fern.
„So kommische Fragen ich chabe oft“, azehlt Boris. Dit machta mit Absicht, der kann bessa Deutsch als wie wir. „Einmal pro Woche, ich chabe Kunde, der fragt: ‚Chaben Sie Zigaretten?‘
Wenn man vor der Theke steht und Boris ankiekt, denkt man, der hat nur Zijaretten. Hinta ihm ist een Rejal, drei Meta breit, eins fuffzich hoch und volla Zijaretten.
„Nu, ich wundere auch. Aber ich denke, wenn Kunde chat Frage, Kunde bekommt Antwort.“

Und denn jibt et ooch blöde Fragen. Doch, glooben Se mir! Ick kann ja die Konversation beim Einkoofen partu nich lassen. Also sarick paar Tage späta ehm andan Frollein: »Wußten Se eijentlich, dass et hier die billichsten Splittabrötchen im Kiez jibt?«
Ja, nee, wusste se nich. Aber bald wusste et ihr Chef und denn war denn Preisjefüje leider im Eima.

Noch Fraren?

Die Häuser denen, …

Die Häuser denen, …

Die Miete ist sehr teuer
Kost‘ siebenhundert Eier!
Wer kriegt die Miete bloß?
Der Boss!

(Dieter Süverkrüp, der Baggerführer Willibald)

„Zur Begründung hieß es vom Gericht, bei der Abwägung des Falls hätten die Interessen des Eigentümers laut Gesetz Vorrang.”
(ZEIT.de, 8.10.20)

Dann wollen wir sehen, wie das Gesetz wirkt.
Und nun singe ich mal ein Lied für Maria. Weiterlesen

Und nicht über und nicht unter …

Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.

(Heinrich Heine, Deutschland, ein Wintermärchen)

Es war ja nicht alles schlecht an der Wende.

Sie sorgte auch für Heiterkeit, und das konnten wir brauchen.
Ich war bei einem ehemaligen Kommilitonen zu einer Wiedersehensfeier mit anderen ehemaligen Kommilitonen und kurz zuvor war Karl Moik in Cottbus.
„Wer hätte das gedacht … Wahnsinn!“
Wir sprachen auch so, nicht weil jemand den Stadl gesehen hätte, sondern weil sich der Scheibenwischer (grandios: Dieter Hildebrandt und Richard Rogler!) ebenfalls herrlich darüber lustig gemacht hatte.

Ich fing übrigens an:
„Wer hätte das vor kurzem noch gedacht, dass man sich mal ein bisschen verfährt und gleich im Westen landet?“
Alle im Chor: „WAHNSINN!“

Mir war es tatsächlich passiert, dass ich mit meinem roten Trabanten die Wollankstraße von Nordost nach Südwest (Betonung liegt auf West) fuhr und diese nicht mehr ordnungsgemäß kurz nach der Florastraße endete. Keine Spur, kein Krümelchen der Grenzanlage, aber die Straße wurde besser, die Trabantendichte nahm abrupt ab und die Geschäfte sahen anders aus. Vor allem gab es welche. Wahnsinn!

Noch so ein Dönneken?

Wir hatten eine Westverwandte, die Cousine meines Vaters. Die wohnte in Rudow und nun konnte man die ja besuchen. Mein Vater leider nicht mehr, aber ich peeste hin.
Aus irgendeinem Grunde parkte ich nicht direkt vor ihrer Haustür (kein Parkplatz?), sondern in der Nähe. Ich vergaß sofort den Straßennamen, aber in Fahrtrichtung war eine Kreuzung in Sichtnähe, und an der Kreuzung war ein Supermarkt. Konnte man doch gar nicht verfehlen.
Nach dem Besuch war ich dann überrascht, wie viele Kreuzungen mit Supermarkt es in Rudow und Umgebung gab. Die meisten ohne Trabant in Sichtnähe. Es war auch schon dunkel und ich begann leise zu weinen.

Noch so ein Dönneken?

Mein Bruder (der Erfinder von Microsoft, Apple und des WWW, siehe https://neuleerer.wordpress.com/2020/09/07/neuland-unterm-pflug/) hatte keine Zeit mitzukommen, hatte aber Zeit, einer weitläufig Bekannten das Bad zu fliesen. Die Fliesen waren vorhanden, aber es fehlte an etwas, das ich nicht kannte und auch vermutlich nie vermisst hätte. Aber ich sollte es besorgen.

„Tach, ick hätte jern Fliesenkreuze.“
„Na, welche Größe denn?“

Die haben im Westen etwas, das wir nicht haben, und dann auch noch in verschiedener Größe? Potzblitz!

„Na, die mittleren.“
Pause.
„3 mm?“
„Äh. Genau.“
„Wieviel brauchste denn?“
Pause.

Noch so ein Dönneken?

Na ja, ich könnte noch erzählen, wie ich das erste Mal im Supermarkt war und versucht habe, den Einkaufswagen durch das Drehkreuz zu dremmeln.
Ach was, wir haben uns als Ossi gehörig blamiert, mit Harmlosem und mit finanziellen Verlusten, weil wir unbedingt sofort(!) einen Westwagen brauchten und eine Bausparversicherung und eine Lebensversicherung und eine Versicherung zur Absicherung der Beträge zur Lebensversicherung und noch eine für irgendwas – ich habe tatsächlich vier Versicherungen an einem einzigen unglückseligen Tag des Jahres 1990 abgeschlossen.

Dafür bin ich verschiedentlich als Wessi durchgegangen, sogar schon vor der Wende. Unter den Linden gab es einen Laden, Kunst und Buch oder so hieß er, es gab jedenfalls beides. Ich war damals sehr verwegen gekleidet, das war es wohl, denn die Dame an der Kasse meinte zu mir hoffnungsfroh:
„Sie können auch in Ihrer Währung zahlen.“

Und dann wurde es meine Währung.
Und es wurde mein Land, und irgendwie auch nicht, mein altes verschwand und mein Thema sollte sich eigentlich der Einheit widmen und wieso ich Schwierigkeiten mit dem Begriff habe, aber – andermal, denn …
die Augen begunnen zu tropfen

***

Die Göttin hat mir Tee gekocht
Und Rum hineingegossen;
Sie selber aber hat den Rum
Ganz ohne Tee genossen.

(Heinrich Heine, Deutschland, ein Wintermärchen)

The first cup is the deepest oder Tage wie dieser

One more cup of coffee for the road
One more cup of coffee ’fore I go
To the valley below

(Bob Dylan, Nobelpreis für Literatur 2016)

Gestern war Tag des Kaffees; die SZ schreibt etwas über spannende Fakten dazu und ich lese es nicht, weil ich mich wieder aufrege, weil man nicht interessant schreiben kann, wenn man interessant meint und spannend, wenn – und dann ärgere ich mich über mich, weil ich ja weiß, dass die Sprache auch ohne meine neunmalklugen Einwände beständig verhunzt wird und dann brauch ich erst mal einen Kaffee.

Und nun hängt mir auch noch jemand einen Vollmond ins Fenster.

Gibt es auch einen Tag des Mondes? Ich schau mal nach, in der Gewissheit, nee, das nun also nicht …

… doch, gibt es. Dann gibt es wahrscheinlich auch einen Gib-deinem-Auto-einen-Namen-Tag.

Ja, und zwar ist das heute. Da fällt mir fast nichts mehr ein und das bisschen will keiner wissen und außerdem wird’s ja nicht besser. Morgen ist Tag der deutschen Einfalt und das wird dann auch erst morgen abgearbeitet. Zwischendurch feiere ich den Tag des Schlafs.

Es ist nicht zu fassen, den gibt es auch, am 21. Juni.. Fehlt nur noch der Tag des Beischlafs. Den kann es nicht geben; ich meine einmal im Jahr?
Eine Quelle behauptet seine Existenz, allerdings eben nur eine Quelle, die Entenpost. Das ist dann fast schon wieder schade.


Aber es gibt ja noch andere Tage, nämlich …

Gute Nacht!