
»Die Fahrer, so will es der Brauch, dürfen von ihren Gästen kein Geld fordern, die Gäste ihnen nicht mehr zustecken, als sie im VEB-Taxi zahlen müßten – in Ost-Berlin zwischen 80 Pfennig und einer Mark pro Kilometer … «
(Der Spiegel, 28.9.1986, zum Thema Schwarztaxi in der DDR)
Wir waren beim Taxi stehengeblieben (https://neuleerer.blog/2021/04/13/autobiographie-intermezzo-iiia/).
Als mein Vater 1986 starb, hinterließ er 4 Kinder, 1 Ehefrau, 1 Auto.
Dem damaligen Brauch gemäß, war die Ehefrau meines Vaters gleichzeitig meine Mutter. Das sollte sich auch nicht ändern, auch wenn die mir zukommende Bezeichnung Kind sich in der Bedeutung etwas verengte. Ich war schon ziemlich groß. Ich konnte nicht nur Auto fahren (wer Panzer fahren kann, kann alles fahren), inzwischen durfte ich es auch, denn seltsamerweise und gegen meine Hoffnung, ja Erwartung, taugte der Panzerfahrerführerschein nicht für den zivilen Verkehr. Damals gab es noch keine Mindestzahl für die Fahrstunden. Ich kam mit insgesamt fünf aus. Ich wäre trotzdem fast durchgefallen, denn ich überlegte zu lange, ob ich bei gelber Ampel anhalten sollte oder nicht. Ich hielt, aber die Vorderachse war schon hinter der Haltelinie. Auweia!
Die Mutter verfügte also, dass ich ihr fürderhin als Chauffeur zur Verfügung stünde und ich ließ mich in die Papiere einschreiben. Ich fuhr sie oder die Einkäufe, aber meistens machte ich etwas anderes.
Zum einen fuhr ich für eine kleine Kapelle, die elektronische Musik machte. Wer in der DDR Musik machen wollte, brauchte eine Spielerlaubnis. Die gab es in verschiedenen Abstufungen, bis hin zur Einstufung als Berufsmusiker. Ohne Pappe keine Auftritte. Auftritte ohne Publikum waren möglich, bezahlt wurde immer, nach gesetzlicher Vorgabe. Die Stundenlöhne waren kümmerlich. Es waren die Zuschläge, an denen die Musiker und Musikanten verdienten (Notengeld). Besonders lukrativ waren Auftritte in der Republik. Für mich gab es 0,50 Mark je Kilometer; eine Fahrt nach Thüringen brachte mehr als das Stipendium für zwei Wochen.
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Allerdings war es nicht das Geld. Die meisten Muggen waren ja in der Stadt, ich bekam 50 Mark pauschal und da blieb nicht viel nach dem Tanken. Es hat Spaß gemacht und das führte zum anderen.
Einer der Musiker und manchmal mein Bruder begleiteten mich bei nächtlichen Fahrten durch die Stadt. Offizielle Taxis waren, wie beinahe alles in der DDR, knapp. Wer nach Hause wollte, versuchte, irgendein Auto anzuhalten, und irgendwie entstand ein fahrendes Schattengewerbe mit einem gewissen Kodex (siehe Spiegelzitat). Jetzt hatte ich ja einen Wagen, der äußerlich den Taxis (in Berlin waren es meistens Wolgas) ähnelte und auch einen gewissen Komfort bot. Ich kann mich nur an einen Kameraden erinnern, der nichts bezahlte, die meisten waren großzügig.
Meine Kommilitonen fuhr ich kostenlos. Es gab die eine oder andere Studentenfete, und wenn die aus war, fuhr keine Bahn mehr. Man mag es nicht glauben, aber ich war der einzige mit einem Auto. Also fuhr ich die Trunkenbolde. Ich durfte keinen Alkohol trinken, aber ich hatte ja das Adrenalin vom Autofahren. Radtouren waren eine besondere Freude. Ich fuhr nämlich das Gepäck.
Ich war kein Kind, aber ein gewisser jugendlicher Übermut war mir zu eigen. Ich fuhr einen ziemlich heißen Reifen, und eines Tages hatte ich drei junge und ziemlich alberne Damen an Bord und mit ihnen baute ich meinen ersten Unfall.
Fortsetzung folgt.