Rohstoff Bildung

Aus: Schüler in Uniform und andere Nestbeschmutzungen, 2008, weitgehend unveröffentlicht

Eine Tagung zur Bildung, also eine Bildungstagung, zur Bildung in Kindergärten, eine »Bildungstagung Kita« …
Schämt man sich in Deutschland Friedrich Fröbels, seiner großartigen Erfindung, seiner großartigen Wortschöpfung? Kindergarten heißt auf englisch kindergarten, auf deutsch – Kita.

Ich fange noch einmal an: Am 22. September 2003 fand in Potsdam eine »Bildungstagung Kita« statt. Sie stand unter dem Motto – Losung wäre freilich besser, also die Bildungstagungslosung – »Bildung, der Rohstoff, der zwischen den Ohren wächst«. Die reine Poesie.

Ich weiß nicht. Das hört sich gefährlich nach einem Tumor an. Jedenfalls wächst etwas zwischen den Ohren. Wenn das Wachsen keinen Platz mehr findet, quillt es aus Mund und Nase. Für den Bildungsrotz kann man ein Taschentuch benutzen, vor den Mund hält man sich ein Mikrofon und in ein solches sprach der damalige Minister Steffen Reiche:

»Ein Land, das über keine nennenswerten Rohstoffe verfügt, muss sich bei der Zukunftsplanung auf seine Stärken und seine Potenziale besinnen. Unstrittig liegen diese Potenziale in den Kompetenzen seiner Bevölkerung, und es ist an der Zeit, sich über die Konsequenzen dieser Einsicht zu verständigen. Das Land der Dichter und Denker ist dabei, seine Potenziale zu vergeuden und somit seine Zukunft zu verspielen.«

Wenn ein Politiker irgendwo ein Band durchschneidet, einen ersten Stein setzt oder eben eine Tagung eröffnet, darf er leeres Stroh dreschen, für kluge Worte hat er das Parlament oder sein Kabinett. Dann hüte er sich aber vor gewagten Assoziationen, die jemand ernst nehmen könnte.

Ein paar Rohstoffe – im eigentlichen Sinne – könnte man schon nennen. Aber es stimmt: Von deren Ausbeutung könnte Deutschland nicht leben. Das besagt aber gar nichts. Die Wertschöpfungskette umfasst ein bisschen mehr als das Ab- oder Ausbuddeln von Rohstoffen, und wenn die letzten Rohstoffe verbraucht sind, werdet ihr merken, dass man Kompetenzen nicht essen kann. Deutschland konnte lange Zeit ganz gut damit leben, Bodenschätze ein- und fertige Maschinen wieder auszuführen. Das hat mit den Dichtern und Denkern gar nichts zu tun. Beteiligt waren vor allem ungelernte und notdürftig angelernte Arbeiter, die immer genau so viel wussten wie nötig, um eine Maschine zu betreiben oder eine Schaufel zu heben. Daran wird sich auch nichts ändern, solange man die Bildung an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausrichtet oder sich gar ihrer Methoden bedient.

Zwischen den Ohren wächst also ein Rohstoff. Und was macht man mit Rohstoffen? Richtig, man beutet sie aus. Ob Minister Reiche über die Umkehrung nachgedacht hat? In einem anderen Land, das über nennenswerte Bodenschätze verfügt, braucht also keiner Wachstum zwischen den Ohren. Wozu auch? Dass die Bewohner des Kongos nicht in Saus und Braus leben, ist wohl eine unglückliche Verkettung – Rohstoffe, und damit Geld, gäbe es genug. Folgerichtig hat von Leopold II. bis Joseph Mobuto keiner auch nur einen Cent für die Bildung ausgegeben; derzeit liegt die Ausgabenquote für das Bildungswesen laut wikipedia bei 0 % der Staatsausgaben.

Hat sich was mit Poesie.

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