Autobiographie, Teil I

Autobiographie, Teil I

»Da das modelltypische Ansauggeräusch extrem laut ist, schauten sehr viele Leute, an denen ich vorbeigefahren bin, hinterher.«
(Martin, https://www.akf-shop.de/blog)

Ich überlege immer noch, welches motorisierte Fahrzeug ich als mein erstes nennen sollte. Das erste von meinem Geld gekaufte? Das erste, das auf mich zugelassen war? Das erste, mit dem ich wenigstens einige Kilometer fahren durfte?

Wie ich den fünften Satz beginne, fällt mir ein erstes Mal ein.

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Leute, egal wie talentiert ihr seid oder von anderen oder euch selbst dafür gehalten werdet: Erinnert euch und schreibt alles auf! Das Schreiben hilft beim Erinnern, und ich glaube, es ist auch umgekehrt. Kein Schreiben an die Behörde, keine Facharbeit, kein Bericht hat die kartharsische Wirkung der Erinnerung. Wenn die dann – im doppelten Wortsinn – nicht lesbar ist, habt ihr die falschen Leser oder seid nicht ehrlich.

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Es war ein SR2. Baujahr ungefähr wie ich. Motor von Rheinmetall. Das wusste ich damals nicht, es hätte mich auch gewundert. Wir hatten eine Schreibmaschine dieser Marke zu Hause. Außerdem, so lernte ich später, stellte die Firma allerhand Schießzeug her, und noch später, nämlich heute, lerne ich, dass dies immer noch so ist: Rheinmetall hat seinen Sitz am Rhein und nicht in Sömmerda, wo die Kleinkrafträder herkamen, und erwirtschaftet heuer ca. 6 Milliarden Euro Umsatz.

Na ja, das kennt man ja. Auch der F9 wurde zeitweilig ein EMW, das erinnert an BMW. Das B steht für bayerisch, gebaut wurde aber in Eisenach, logisch. Das Logo von EMW war ein Propeller, aber rot/weiß. Die Auseinandersetzungen um Marken, welche die DDR in der Regel verlor, sind ein dickes Kapitel für sich.
Aber das nur nebenbei.

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Die Schreibmaschine namens SR2 war mehr Fahrrad als Moped; man drehte die Pedalen wie beim Fahrrad, und wenn alles andere stimmte, dann tuckerte das Motorchen los.
Es muss Talent sein, dass ich das hinbekam, denn ich hatte weder Wissen noch Erfahrung. Woher kam das Vertrauen, das meiner sehr kurzzeitigen Badeseebekanntschaft, die ich fragte, ob ich mal fahren dürfte, eingab zu antworten: Ja, warum nicht?

Mir ist das später noch einmal ähnlich passiert. Ich arbeitete in einem Dorf (warum und so, ist wieder eine Geschichte für sich, jetzt habt doch mal Geduld!) und musste für Geschäfte in die Stadt. Eine Kollegin stellte mir ihr S50 hin, damit ich nicht laufen müsste. Ich lief aber, weil ich es übersah. So behauptete ich jedenfalls. Was sollte ich denn sagen? Die Kids fuhren mit fünfzehn Trecker; wie kann man da nicht Moped fahren können?

Das SR2 jedenfalls, dieser lächerliche Hühnerschreck, meine Mutter nannte sowas Muckepicke, trug mich aus der ersten Kurve. Ich blieb schon auf der Straße, aber links, von mir aus gesehen. Es kam ein Auto entgegen, Gott sei Dank mit gehörigem Abstand, sonst wäre ich jetzt mindestens um noch eine Erfahrung reicher.

Eine Erfahrung hatte ich gemacht: Es ist so unglaublich, geradezu berauschend – ich wusste noch nichts von Sex, aber dachte, viel besser kann es nicht werden: Die richtigen Knöpfe, Schalter, Hebel bedient, und ein Adrenalinrausch trägt dich davon. Es waren höchstens 40 km/h, aber dafür musste ich nur ein bisschen am Gasgriff drehen. Das Wort Automobil bedeutet, dass sich etwas selbst bewegt; gemeint ist, dass die vorantreibende Kraft nicht von außen, etwa durch Muskeln, kommt, sondern durch Energieumwandlung im Innern des Fahrzeugs auf die treibenden Räder gelenkt wird. Ein Kinderspiel! Es sollten aber mehr als zwei Räder sein.

Das Abenteuer Fahrzeug konnte beginnen.

Forsetzung folgt.

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