
»Ich war als Kind schon sehr klein«
Carmen-Maja Antoni
Schreib doch mal was lustiges, sagt die beste gefährtin von allen. Und viele prozente meiner leserschaft fordern lautstark nach heiterer lektüre.
Aber die zeiten sind ernst?
Eben.
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Das Kleinschreiben im ersten Block war zunächst versehentlich. Aber nun steht es da. Es hat was Lyrisches.
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Mir fehlt der Anfang. Das ist selten. Aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Mein erstes Auto … Hm, was genau ist mit »mein« gemeint, was mit »erstes«?
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Dann schaue ich erst mal, von heute aus gesehen, rückwärts. Mir fällt auf, dass meine Autos überraschend schnell Eigenarten annehmen oder gleich mitbringen. Also immer die gleichen. Ich habe lange gebraucht, um ein Auto mit funktionierendem Tacho zu bekommen und eine Weile zu benutzen. Die Heizung war praktisch immer kaputt, der Heckscheibenwischer versagte, ich möchte sagen, nach Stunden. Bei jedem Auto.
Es muss mit der besten Gefährtin von allen zu tun haben: Seit kurzem sitzen hinten noch zwei Wesen im Gefährt, die alle Hände voll zu tun hätten, den »Wagen« (dazu kommen wir noch) vollzukrümeln. Die Zentralverriegelung ruinieren sie trotzdem zuverlässig. Ich weiß nicht wie. Doch, zuverlässig.
Es war eine Sternstunde der Menschheit, als ein nicht genug zu vergötternder Titan des menschlichen, ja übermenschlichen Erfindungsgeistes auf die Idee kam, den Universaltankdeckel erstens zu erfinden und zweitens (das kann aber ein anderer gewesen sein, soviel Genie gibt es gar nicht in einer Person) das Sortiment der Tankstellen damit zu bereichern. Irgendein nichtsnutziger Saboteur hatte dann die Idee, den Tankdeckel mittels Drahtkabelstrippendingens am Auto zu befestigen, das nahm der Sache den Spaß, allerdings auch das Benzinaroma rund ums Auto, mit dem sich der vergessene Deckel in Erinnerung brachte, auch wenn uns schon zahlreiche Kilometer trennten.
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Beizeiten zu tanken kann man nicht vergessen. Nicht, wenn man dafür völlig genügende Leistungen im Physikgrundstudium erbracht hat. Man weiß doch, dass man, wenn die kleine rote Zapfsäule leuchtet, noch beiläufig 50 Kilometer fahren kann.
Jetzt müsste die kleine fiese Zapfsäule aber auch leuchten. Möglichst laut, man starrt ja auch nicht ständig hin. Und dann weiß ich nicht, wieso es auf der A9 hinter Siebenzwergenhausen, wo ich hätte tanken können, noch siebzig Kilometer sind.
Vielleicht tankst du hundert Kilometer vorher, fragt die beste Gefährtin von allen. Was weiß sie schon, hat sie Physik studiert? Außerdem wollen wir uns nicht um Zahlen streiten.
Das Zahlen vergesse ich nicht, aber die Zahl bringt mich manchmal in Verlegenheit. Welche Säule hatte ich denn? Ich schaue am Zeitungsregal vorbei auf mein Auto: Äh, der Dings, na, das Auto …
Mit den Rädern?
Ja. Also bitte!
Ist es wichtig, wie das Auto heißt? Ich wüsste nicht mal die Farbe. Gold, sagen die Buben.
Ihr seid selber Gold, sage ich.
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Wie meine Ansichten und die meisten meiner Bücher entstammen alle meine bisherigen Autos dem vorigen Jahrhundert. Heute hat jede fahrbare Einkaufstasche mehr Rechentechnik an Bord als Apollo 11; selbst wenn man wollte – allerdings will ich auch nicht mehr – kann man nichts mehr selber machen. Die Schrauber heißen jetzt Mechatroniker; sie stecken dem Gefährt ein USB-Kabel irgendwo rein; am anderen Ende hängt ein Computer, der selbständig ein Dingenskirchenmodul für grauenhaft viel Geld bestellt, denn repariert wird nichts mehr. Wenn das Modul eingebaut ist, hört man das merkwürdig schleifende Geräusch zwar immer noch, aber der Bordcomputer meldet keine Fehler mehr. Was will man mehr?
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Man will manchmal mehr, wenn es samt Hausrat an die Nordsee oder in die Toscana geht, oder zum Bretterkaufen in den Baumarkt; manchmal will man weniger, wenn der Zweck klein ist, sagen wir, ein Brief muss in den Briefkasten oder der Herr Neuleerer zur Arbeit. Also ist man nie zufrieden, höchstens glücklich, wenn es dann wieder ein neues altes Auto ist mit einer schönen Farbe (gold!) oder es hat so viele Geheimfächer oder zur Abwechslung Sitzheizung oder ein richtig rabaukiges Radio …
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Fortsetzung folgt.