Autobiographie, Teil Null komma 5

Autobiographie, Teil Null komma 5

»Der F9 ist ein Wagen der Mittelklasse, der auf Grund seiner Konstruktionsmerkmale die Vorteile eines Kleinwagens hinsichtlich Wendigkeit und Wirtschaftlichkeit, aber auch die Fahrsicherheit und Bequemlichkeit eines Fahrzeuges von viel größerem Radstand aufweist.«
(Betriebsanleitung F9)

Was waren die Autos früher schön! Wird man das in fünfzig Jahren auch sagen, bezogen auf die Autos von heute? Wenn man die Frage nach den schönsten Autos der Welt in verschiedenen Sprachen stellt, bekommt man verschiedene Listen. Bei den britischen Antworten sieht man James-Bond-Autos, die russische Antwort erwähnt – конечно – den Tschaika (чайка – die Möwe); bei den Franzosen muss der Citroën DS dabei sein, alles andere wäre Vaterlandsverrat.

Stellt man die Frage auf italienisch …
Nein, italienische Autos sind immer dabei. Zu recht. Der Cinquecento ist aber auch ein allerliebstes Gefährt, kaum verändert über Jahrzehnte. Den Fiat 600 Multipla würde ich sofort kaufen.

Das ist es aber nicht. Die Juroren solcher Rankings wählen nicht die besten oder schönsten Autos, nach irgendwie verständlichen, gar vernünftigen Gesichtspunkten, sondern sie überlegen: Welches Auto hätte ich denn gern? Eher noch: Welches Auto hätte ich gern gehabt, als ich dreizehn war? Es sind also die schnellsten und teuersten Fahrzeuge und die findet man reichlich in la veloce Italia: Lamborghini, Ferrari, Alfa Romeo, Lancia.
Bugatti und Talbot Lago haben zumindest italienisches Blut.

Man sollte solche Listen durch Familienväter, besser noch -mütter, erstellen lassen. Und wenn das auch noch Einfluss hätte auf die aktuelle Produktion, dann gäbe es den Škoda Roomster noch und den Toyota Yaris Verso, womöglich den Nissan Cube, sparsame und scheinbar kleine Autos, völlig ausreichend aber für vier bis sechs Personen samt Gepäck.

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Die ersten Autos wurden eher von Stellmachern als von Schlossern gefertigt. Es waren Kutschen, aber mit Motor statt Pferd. Mit zunehmender Geschwindigkeit interessierte man sich für die Aerodynamik; die Wagen wurden windschnittig. Auch die Autos der Zukunft, wie man sie sich damals vorstellte, hatten geschwungene Linien; sie glichen eher Tropfen als den dann tatsächlich gebauten groben Klötzen von heute. Was für ein Rückschritt!

In den dreißiger Jahren gab es Zigarettenbilderalben »Das Auto von heute«. Die Alben oder einzelne Sammelbilder werden noch erstaunlich zahlreich bei ebay angeboten; wer sich die Bilder ansieht, schaut in die Zeit der Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling.

Der IFA F9 (siehe Bild) war so ein Schmetterling, ebenso wie der Moskwitsch 400. Beide liefen unter falscher Flagge. Der Moskwitsch (russisch für: Moskauer) war eigentlich ein Rüsselsheimer. Auf den Maschinen, die nun in Moskau standen, wurde vorher der Opel Kadett gebaut, der, wenig überraschend, genau so aussah.
Der F9, ursprünglich als DKW geplant, war eines der letzten Autos mit Selbstmördertür, hatte einen Zweitaktmotor (ca. 30 PS) und als ich knapp 60 Zentimeter groß war, bin ich damit herumgefahren.
Worden.

Der letzte Schmetterling aus Eisenach hieß dann übrigens Wartburg 311, das schönste Auto der DDR.

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Unsere fünf-, mit mir dann sechsköpfige Familie leistete sich kein Auto, jedenfalls nicht, solange wir Kinder noch Kinder waren. Für einen Auslandseinsatz gab es aber einen Dienstwagen, und der wurde gewiss nicht nur im Dienst benutzt.

Die Geschichte unserer Autos ist auch die Geschichte kurioser Unfälle. Vater machte den Anfang in Budapest. Als er zum Standesamt fuhr, um meine Geburt anzuzeigen, nahm er unterwegs einen Gully zwischen die Räder. Der Deckel war, im Vergleich zum Straßenniveau, etwas erhaben und bremste den frischen Vierfachvater mitsamt Fahrzeug, das nicht gerade hochbeinig war. Im Nu war das Chassis des F9 verzogen, bei mir dauerte es etwas länger.
Einen Gullyunfall hatte ich auch mal, das kriegen wir später.

Wenig später ging es zum Urlaub nach Berlin. Das Auto wurde gegen einen Moskwitsch (wahrscheinlich ein jüngerer, 402 oder 407) umgetauscht. Dann wurde noch schnell die Mauer gebaut und es ging zurück nach Budapest. Leider blieben wir nur noch ein Jahr dort. Dann begann die autolose Zeit.

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Fortsetzung folgt.

3 Gedanken zu “Autobiographie, Teil Null komma 5

    • »I’ll do my very best« (James) – Dein Wunsch sei mir Befehl. Allerdings gibt es, ich möchte beinah sagen, leider, noch anderes im Leben neben dem Bloggen, und im Blog geht es auch um anderes als um das heitere, ja unbeschwerte Leben eines Boomers.

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