Das Bildungspäckchen der Leyenpolitiker

„Erdkunde ist Lauras Lieblingsfach, außerdem mag sie Bruchrechnen und Diktate. Seit kurzem macht ihr sogar Englisch Spaß. Dabei hatte Laura lange Schwierigkeiten in diesem Fach, im Unterricht kam sie kaum mit und ihre Versetzung war gefährdet. Seitdem sie mittwochs zur Nachhilfe geht, hat sich das jedoch geändert. Dort hat sie einige Tricks gelernt, wie sie sich die Vokabeln leichter merken kann.
Und bei den Hausaufgaben achtet der Nachhilfelehrer darauf, dass sie die Übungen richtig verstanden hat. In der nächsten Klassenarbeit will sie jetzt unbedingt eine bessere Note schaffen, damit sie in jedem Fall versetzt wird. Das Bildungspaket hat Lauras Fortschritte möglich gemacht. Und dazu beigetragen, dass ihr nun auch der Englischunterricht gefällt. Fast so gut wie Erdkunde.“
([1] Herv. von mir)

Und morgen, liebe Kinder, erzählt euch der kleine Dienstag ein anderes Märchen.

Was hat das Bildungspaket mit Bildung zu tun? Erschreckend wenig.

  • Ein voller Bauch studiert nicht gern. Wahrscheinlich gibt es deshalb so wenig Schulen, die warmes Essen bereithalten. Wer die Schulspeisung für eine gute Idee hält, soll sich für die Schulspeisung, und zwar für alle, einsetzen. So schwer ist das nicht:
    „Für Schüler der allgemeinbildenden Schulen […] ist an Werktagen […] eine abwechslungsreiche, nahrhafte, gesunde und dem Geschmack der Kinder entsprechende warme Hauptmahlzeit bereitzustellen.“ [2] Doch, es ist schwer. Das wäre nämlich ein zentralistischer Eingriff, unvereinbar mit der persönlichen Freiheit, hungrig in den Unterricht zu gehen.
    Es ist eine Verhöhnung nicht nur der bedürftigen Kinder, denen nun ein Zuschuss für das Schulessen von einem Euro gewährt werden soll, wenn es an ihrer Schule gar kein Schulessen gibt.
  • 10 Euro für Musikschule oder Sportverein. Die Musikschule möchte ich sehen, die sich mit zehn Euro begnügt.
  • Beim Punkt Lernförderung geht es auf den ersten Blick tatsächlich um Bildung. Die nähere Betrachtung belehrt uns, dass es eigentlich um die Einhaltung – der von der Schule gesetzten – Lernziele geht, und das ist etwas anderes. Aber das nur nebenbei.
    Frau von der Leyen findet hehre, aber entlarvende Worte (Sprachstil findet sie nicht, aber man kann nicht alles haben):
    „Das Bildungspaket folgt der großen Leitidee: Chancen eröffnen.“
    Das heißt, vorher waren die Chancen zu und das stimmt ja auch.
    „Darauf haben die Kinder ein Anrecht.“
    Und weiter oben:
    „Sie haben jetzt einen Rechtsanspruch auf Bildung und Mitmachen.“
    Jetzt. Also vorher nicht? Doch, die Schulgesetze haben sich ja nicht geändert. Das Schulgesetz jedes Landes sichert jedem jungen Menschen das Recht auf Bildung zu, mit interessanter Nuancierung übrigens: In Brandenburg etwa wird aus dem Recht der Schülerinnen und Schüler die ausdrückliche Pflicht der Schule zur individuellen Förderung.

    Damit es Geld gibt, muss die Schule bescheinigen, dass Förderbedarf besteht, sie muss also bestätigen, dass sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist. Es ist eine Schande für die Lehrer, wenn ihre Schüler sich außerschulisch helfen lassen müssen; es ist eine Schande für die Schule bzw. die Schulaufsicht, wenn die Förderung nicht in der Schule organisiert wird. Teurer wird es obendrein, denn das Geld fließt zu den Nachhilfeinstituten, die in erster Linie Wirtschaftsunternehmen sind. Wie schon bei den diversen Eingliederungsmaßnahmen der Arbeitsagenturen werden hier Subventionen verschenkt, deren Nutzen für die Hilfebedürftigen höchst fragwürdig ist.

Es muss beantragt werden, es muss bestätigt werden. Es ist zeitaufwendig, würdelos und der Ertrag hält sich in Grenzen. Kein Wunder, dass das Bildungspaket so wenig nachgefragt wurde. Es passt nicht zusammen, dass man einerseits ein Recht proklamiert, andererseits die Gewährung des Rechts unter Vorbehalt stellt.

Wenn man fördern will, dann soll man es doch tun. Jedes Kind sollte individuell gefördert werden, jedes Kind sollte an der Schulspeisung teilnehmen, Schulausflüge mitmachen und seinen sportlichen oder künstlerischen Neigungen nachgehen können. Und wenn man das ernst meint, dann darf man nicht bestimmte Kinder – aus welchen Gründen auch immer – erst ausschließen und dann so tun, als gehörten sie doch dazu, allerdings nur auf Antrag.

Dienstag, den 26.04.2011

[1] → Bundesmininsterium für Arbeit und Soziales/Das Bildungspaket

[2] Verordnung über die Schüler- und Kinderspeisung;
Gesetzblatt der DDR I, S. 713; übernommen von → bundesrecht.juris.de (pdf)

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